<<< Schritt 1: Kochen mit Strom

2. Schritt: Erneuerbare Energien

Das Umstellen auf Strom macht natürlich noch keine Energiewende - erst recht nicht, wenn man am Anker dann den Generator anwirft, um mit Strom zu kochen.

Es müssen also "Erneuerbare" her, schließlich wollen wir ja eine autarke Segelyacht mit minimalem CO2-Footprint werden. Eher theoretische Überlegungen dazu gibt es hier.

Hier nun die praktische Umsetzung auf der Kurs270:

Der Geräteträger - notwendiger Unterbau

Den Winter 21/22 wir zu einem nicht unerheblichen Teil sägend, drehend, schleifend und schweißend in der Werkstatt verbracht, um einen Geräteträger zu bauen. Hätte man natürlich auch von einem einschlägigen Edelstahlbetrieb erledigen lassen können, aber die 8.000-10.000 Euro, die das gekostet hätte, hatten wir gerade nicht herumliegen.

Auf dem Geräteträger haben nun 2 Komponenten unserer alternativen Energiegewinnung Platz gefunden

  • 3 Solarpaneele mit insgesamt 180 WP
  • Unser Windgenerator, ein Superwind 350-II

Ferner trägt er noch das Radargerät, den Lautsprecher der Schallsignalanlage und diverse Antennen.

Der Speicher

LiFePo-Zellen
Das "Herzstück" unseres Energiespeichers

Natürlich haben wir auch auf der Kurs270 die gleiche Herausforderung wie in den großen Stromnetzen: Die "Erneuerbaren" stehen nicht immer dann zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden. Wenn man abends am Anker lecker kochen will, scheint die Sonne nicht mehr und auch der Hydrogenerator produziert nichts mehr.

Wir brauchen also einen Energiespeicher, sprich: einen Akku.

Natürlich hätten wir nun einfach die vorhandenen Batterien gegen neue, evtl. LiFePo austauschen und die beiden Batteriebänke zusammenlegen können. (Der Voreigner allein weiß, wozu die eigentlich getrennt wurden).

Wir haben uns jedoch für einen anderen Weg entschieden und eine zusätzliche Spannungsebene mit einer 24 V 280 Ah LiFePo-Batterie eingezogen. Die Batterie ist ein Eigenbau aus 8 Zellen, einem aktiven Balancer und einem Daly BMS. Das Ziel war, einerseits auf dem langen Weg vom Heck, wo die Stromerzeuger installiert sind zur Batterie die Verluste bzw. die nötigen Kabelquerschnitte auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und andererseits durch einen zusätzlichen, mit 24 V betriebenen Wechselrichter den Wirkungsgrad zu erhöhen.

Um bei Bedarf auch Energie von der 24 V- in die 12 V- Ebene "umfüllen" zu können, gibt es noch ein 24->12 V B2B-Ladegerät, das max. 25 A liefern kann. Angesichts der ziemlich abgewirtschafteten 12 V Batterien haben wir das auf unserem 2022er Sommertörn schon recht oft genutzt.

Und natürlich soll auch der Landstrom, so vorhanden, die 24V-Batterie befüllen, daher wurde auch ein kleines (20A) Ladegerät eingebaut.

Damit sieht die Struktur unseres Bordnetzes jetzt so aus:

Bordnetz nach Erweiterung

Dem aufmerksamen Betrachter wird auffallen, dass wir das Ladegerät für die Ladung per Landstrom nicht direkt am Landstrom, sondern am Bordnetz angeschlossen haben. So wird es möglich, bei längerer Motorfahrt die 24V-LiFePo-Batterie auch über den Victron Quattro zu laden. Die bessere Alternative wäre eine 2. Lichtmaschine, die kommt evtl. noch.

Die Steuerung

Bei so viel Elektrik gibt es natürlich einiges zu steuern und zu automatisieren. So soll der Wechselrichter mit seinen rund 1,5A Grundlast nur laufen, wenn er gebraucht wird und auch nur dann, wenn die Batterie noch nicht leer ist, der B2B-Loader soll (nur) dann Strom in die 12V-Ebene umfüllen wenn das auch gebraucht wird und so weiter. Wenn auf langen Schlägen schließlich der Hydrogenerator mehr Energie erzeugt, als wir brauchen und die Akkus voll sind, kann man mit dem überschüssigen Strom den Warmwasserboiler betreiben...

Das alles muss automatisiert werden, sonst muss man ständig an irgendwelche Schalter denken. "Von der Stange" gibt es so eine Steuerung nicht (zumindest nicht zu erträglichen Preisen).

Also muss die Steuerung selbst aufgebaut werden. Die notwendigen Komponenten bekommt man bei diversen Billigheimern für kleines Geld. Ursprünglich war geplant, die Steuerung mit einem ESP32 als Zentraleinheit "from scratch" selbst zu programmieren. Aber irgendwie ist so ein Boot ja auch ein Smart Home und so wurde es letztlich ein System auf Basis von Home Assistant (einer open source Lösung), mit einem Raspberry Pi als Zentraleinheit und diversen ESP8266 als Satelliten. Der Vorteil ist, dass sich in so ein System auch ohne großen Aufwand andere WLan- und Zigbee-basierte Komponenten einbinden lassen. So wird das 230V-Ladegerät z.B. über einen WLan-Switch von Sonoff geschaltet und der Taster zum Ein- und Ausschalten des Wechselrichters ist ein Standard-Zigbee-Schalter, der drahtlos und mit einer Knopfzelle als Stromversorgung arbeitet.

Komponente Ausführung Stück Preis/Stück
Zentraleinheit Raspberry Pi 3B mit HomeAssistant OS 1 Aus dem Fundus, derzeit leider über 100 EUR
Schaltaktor (B2B-Loader, Wechselrichter, Stopswitch) ESP8266 Relaismodul von AZDelivery 3 5
Schaltaktor (230V Ladegerät) Sonoff R2 WLan-Switch 1 20
Spannungsmessung und Landstromsensor D1-ESP8266-Modul von AZDelivery 1 5
Anbindung des Daly BMS D1-ESP8266-Modul von AZDelivery
RS485-Adapter von AZDelivery
1 10

Die Photovoltaik-Anlage

Photovoltaik ist der Klassiker in der Yacht-Stromversorgung und war auch bei uns die erste Komponente, die - gleich zu Beginn der Saison 2022 - in Betrieb ging.

Unsere Anlage besteht aus:

  • 3 gerahmten Solarpaneelen, je ca. 55x65 cm, je 60 Watt Peak, Nennspannung je 24,6 V, längs eingebaut
  • Einem Victron SmartSolar 100/15 MPPT Laderegler

Das mag für ein Boot dieser Größe relativ wenig erscheinen, soll aber auch nur eine Komponente sein. Der Gesamtpreis lag bei ca. 300 Euro.

Die 3 Paneele haben wir in Reihe geschaltet, sodass sich eine gesamt-Nennspannung von knapp 75 V ergibt. Da die Spannung im unbelasteten Zustand aber bei niedrigen Temperaturen noch steigt, haben wir trotzdem einen 100 V Laderegler gewählt, um diesen nicht am Limit zu betreiben.

Vorteil dieser Konfiguration ist, dass der Strom auf der langen Strecke Solarpaneel - Laderegler mit max. ca. 2,5 A (in der Praxis selten mehr als 1,5 A) gering ist und man somit für diese Strecke mit dünnen Kabeln (1,5 qmm) auskommt, ohne zu hohe Verluste zu produzieren.

Den Laderegler haben wir auf 27,2 V Absorptionsspannung, eine sehr kurze Absorptionszeit von nur 10 min. und eine Erhaltungsspannung von 26,8 V eingestellt, um ein Überladen der Batterie sicher auszuschließen.

Jetzt im Sommer ernten wir damit an guten Tagen rund eine kWh / Tag.

Der Windgenerator

Windgenerator

Unser Windgenerator ist ein Superwind 350-II des gleichnamigen Herstellers in Brühl.

Montiert wurde er auf einem 80 cm langen Maststummel, den wir auf den Geräteträger gesetzt haben. Im Vorfeld hatten wir im Internet regelrechte Horrorgeschichten von niederfrequentem Lärm (Brummen) gelesen, der oft von Windgeneratoren ins Schiff übertragen wird.

Das sollte natürlich bei uns nicht sein und so wurde großer Wert auf gut gefederte Lagerung gelegt. Realisiert haben wir das mit 4 Powerjoints aus dem Surfzubehör, die als Zwischenfüße zwischen das Fußkreuz des Maststummels und den Geräteträger montiert wurden. Offensichtlich mit gutem Erfolg, von Brummen im Bootsinneren ist jedenfalls nichts zu hören.

Der Generator wird mit ca. 20 cm langen Anschlussdrähten geliefert. Die Verbindung zum eigentlich Kabel haben wir mit steckbaren Quetschverbindern realisiert, damit man den Generator, z.B. für's Winterlager, relativ leicht demontieren kann.

Die ersten ca. 3 Meter des Kabels (2x2,5mm²) führen bis in die Dinghigarage. Dort ist ein Stopp-Relais installiert, das im Ruhezustand den Generator kurzschließt und von der weiteren Leitung trennt.

Von da aus führen ca. 10m Kabel (derzeit ebenfalls 2x2,5mm², wird noch getauscht gegen 2x4mm²) zu Batterie.

Auf einen Laderegler haben wir verzichtet.

  1. hat der Superwind den Gleichrichter bereits eingebaut (im Gegensatz zu allen uns bekannten anderen Herstellern, deren Generatoren Drehstrom liefern, der dann erst im Laderegler gleichgerichtet wird).
  2. ist der angebotene Laderegler, soweit uns bekannt (der Hersteller mochte sich auf Anfrage nicht dazu durchringen, uns detailliertere Infos zu geben) ein reiner Energieverbrenner, der per PWM überschüssigen Strom auf einen Widerstand leitet, wo er in Wärme umgesetzt wird.
  3. hat der angebotene Laderegler keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten.

Das ist unserer Meinung nach nicht mehr zeitgemäß und wir lösen das mit unserem zentralen Energiemanagement.

Statt eines Stoppschalters haben wir ein Stopprelais eingebaut, dass den Generator im Ruhezustand kurzschließt und von der Batterie trennt. Unser zentraler Raspberry Pi mit Homeassistant sorgt jetzt dafür, dass der Generator abgeschaltet wird, wenn die Batterie voll ist und eingeschaltet wird, wenn wieder Platz für etwas Energie ist.

Der Hydrogenerator

Bei gutem Wind läuft die Kurs270 locker 8 Knoten, oft auch mehr. Was liegt da näher, als aus der Fahrt Strom zu generieren?

Der Markt für Hydrogeneratoren ist mittlerweile recht vielfältig. Praktisch alle aktuellen Fabrikate werden mehr oder weniger fest am Heck montiert - mit einer Ausnahme: dem Pod600 von Watt&Sea, der unter das Boot geschraubt wird.

Aufgrund unserer großen Heckklappe ist es natürlich alles andere als einfach, einen Generator so am Heck zu montieren, dass das auch noch handhabbar ist. Daher hatten wir uns eigentlich - trotz des stolzen Preises von deutlich über viertausend Euro, auf den Pod eingeschossen. Dann wurde uns allerdings von verschiedenen Seiten - sogar von einem Händler, der das Teil selbst im Angebot hat - davon abgeraten. Zu groß das Risiko, sich etwas einzufangen (Algen, Angelsehne, Netze...) und dann, um ihn wieder flott zu bekommen, tauchen zu müssen. Gerade auf längeren Törns mit entsprechender Welle praktisch unmöglich.

Also soll es ein Gerät für Heckmontage sein. Aber wie befestigen? Wir haben uns lange das Hirn zermartert und sind nun endlich auf eine hoffentlich praktikable Lösung mit dem Gerät von Ocean Power und einer komplett selbst konstruierten Montage-Mechanik gekommen. Es gibt also im Winter wieder etwas zu basteln...

Hydrogenerator am Heck

Einbaucheck

...der Winter ist praktisch vorbei und unsere Mechanik ist weitestgehend fertig. Und so ist sie aufgebaut:
Am Spiegel haben wir eine kräftige Genua-Schiene montiert, und zwar über die gesamte Höhe. An der Unterkante des Spiegels befindet sich eine robuste Aufnahme, die sozusagen "um die Ecke" geht und sowohl von achtern als auch von unten verschraubt ist. Auf der Schiene läuft mit Gleitsteinen (die uns Eckard, der Lieferant des Generators, dankenswerterweise 3D-gedruckt hat) die eigentliche Mechanik. Der Schaft des Generators ist beim absenken praktisch parallel zum Spiegel. Wenn er unten angekommen ist, löst die Mechanik aus und er klappt in die senkrechte Position.

Auf dem Foto und den Videos ist das ganze noch provisorisch montiert, danach wurde alles wieder abgebaut und zum Elektropolierer geschickt.