Stromversorgung und Energiemanagement auf der Segelyacht
Die Stromversorgung ist auf einer Segelyacht ein interessantes Thema.
Einerseits hat jedes Segelboot einen gewissen "Grundbedarf".
- Navigationsinstrumente wie Kartenplotter, Echolot und Windmesser
- Positionslichter
- Funk
- Salon- und Kabinenbeleuchtung
- Wasserpumpe
belasten die Batterie (auch wenn der Verbrauch der Beleuchtung in den letzten Jahren durch konsequenten Einsatz von LED-Technik drastisch gesunken ist).
Andererseits steigen die Ansprüche an den Komfort, und so wollen auch
- Kühlschränke
- Wassermacher
- Kaffee-Vollautomat
- Autopilot
(all das gibt es auf unserer Yacht) mit Strom versorgt werden. Auch die Waschmaschine würde man vielleicht gerne mal in einer Ankerbucht anwerfen - einen Tank für das Abwasser haben wir.
Andererseits möchten wir natürlich nicht mehrere Stunden pro Tag den Motor oder den Dieselgenerator laufen lassen, um die Batterie nachzuladen.
Auf normal ausgestatteten Charteryachten (und auch auf vielen Eignerbooten) wird dieses Thema meist recht stiefmütterlich behandelt. Bestenfalls findet man dort ein oder zwei Sonnenpaneele.
Ein modernes Energiekonzept, so wie es auf unserer Yacht realisiert wird, setzt auf eine Kombination aus mehreren Elementen:
Energiequellen
Auf üblichen Charteryachten erfolgt das Nachladen der Batterien normalerweise auf 2 Arten:
- Landstrom
- Lichtmaschine des Motors
Natürlich nutzen wir diese beide Energiequellen auch für unsere Batterie. Zusätzlich verfügt die "Kurs270" über einen 8kW Dieselgenerator. Der ist zwar erheblich leiser als die Hauptmaschine, unter Deck ist er aber dennoch störend.
Auf Segeltörns, auf denen wir nicht so lange Tagesschläge haben und dazu jeden Abend in einer Marina sind (Ostsee, Nordsee) und dort über Nacht die Batterien mit Landstrom randvoll laden können, kommen wir damit gut hin. Wenn aber die Tagesschläge länger werden und/oder wir häufg ankern (Teile des Mittelmeers, Karibik und natürlich alle Hochseetörns) und somit länger vom Landstrom getrennt sind, brauchen wir erneuerbare Energiequellen - zumindest, wenn wir uns nicht die herrliche Ruhe am Ankerplatz damit zerstören wollen, dass wir nur zu Stromerzeugung den Motor stundenlang laufen lassen.
Erneuerbare Energiequellen
Was an Land auf dem Vormarsch ist, ist mittlerweile auch auf Segelyachten häufig anzutreffen: die Erzeugung von elektrischer Energie aus Sonne, Wind und Wasser.
Photovoltaik
Sie stellt unter allen erneuerbaren Energiequellen an Bord die einfachste und bedienerfreundlichste Variante dar und ist daher durchaus je nach Revier auch auf Charteryachten anzutreffen.
2 Solarpanele, ein (MPPT-) Laderegler, der nicht viel größer ist als eine Zigarettenschachtel, dazu die notwendigen Kabel und (der aufwändigste Teil) ein Gestell, auf dem die Solarpanele montiert werden können - fertig ist die Solaranlage.
Für eine Nennleistung von 200WP benötigt man ca. 1,5 m2 Modulfläche, was sich am Heck des Bootes auf einem Edelstahlbügel relativ leicht unterbringen lässt.
Was bringt nun so eine Anlage in der Praxis? Das ist von vielen Faktoren abhängig.
- In niedrigen Breiten (äquatornah) steht die Sonne höher und damit steigt die Strahlung pro Fläche
- Ideal sind Kurse mit der Sonne in Lee, wenn das Boot sozusagen der Sonne "entgegenkrängt"
- Bei Kursen mit der Sonne in Luv und 20° Krängung hingegen kann die Ausbeute auch schnell mal in Richtung 0 absinken.
- Gutes Wetter ist natürlich Voraussetzung. Unter einer geschlossenen Wolkendecke nimmt die Strahlungsintensität rapide ab.
Im Schnitt kann man damit rechnen, im Mittelmeer im Sommer an einem normalen Segeltag ca. 500 Wh zu "ernten". Damit lässt sich ein kleiner Kühlschrank bei 60% Laufzeit betreiben. Das ist schon mal etwas, aber wirklich "leben" kann man davon nicht. Auf einer Yacht in unserer Größe lässt sich natürlich mehr Fläche installieren, aber wir haben ja auch 3 Kühlschränke....
Der Vorteil ist, dass so eine Anlage keinerlei Bedienung benötigt. Sie läuft einfach und versorgt unsere Yacht mit Strom, sobald die Sonne scheint. An Wartung / Pflege ist lediglich ein gelegentliches abspülen der Panele mit Frischwasser sowie die gelegentliche Sichtkontrolle der Steckverbindungen nötig. Eher zur Unterhaltung: Die modernen Laderegler haben ein Bluetooth-Interface, mit dem man sich in Verbindung mit der passenden Smartphone-App (kostenfrei vom Hersteller) alle Betriebsparameter incl. der jeweiligen "Ernte" ansehen kann.
Windgenerator
Wenn man sich die Boote in den heutigen Marinas ansieht, ist der Windgenerator oft das Unterscheidungsmerkmal zwischen Charteryacht und Eignerboot. Die meisten Eigner, zumindest jene, die gerne ankern oder dort segeln, wo man nicht jeden Abend ein Landstromkabel einstecken kann, rüsten ihre Yacht heutzutage mit einem Windgenerator aus.
Er stellt eine ideale Ergänzung zur Photovoltaik dar, liefert er doch vor allem dann Strom, wenn die Photovoltaik-Ausbeute eher bescheiden ausfällt, nämlich an windigen, bewölkten Tagen, im Herbst und im Winter oder auch in Revieren, die wegen ihrer geografischen Lage weniger von der Sonne profitieren, wie z.B. der Nordsee oder der Ostsee. Zudem ist der zusätzliche Montageaufwand gering, es muss lediglich am Bügel, der für die Solarpanele ohnehin benötigt wird, zusätzlich an einer Ecke ein Maststummel von ca. 80 cm. Länge angebracht werden, auf dem der Windgenerator montiert wird.
Windgeneratoren für Segelyachten werden heute von vielen Herstellern und in einer enormen Preisspanne angeboten. Ein Nachteil der billigeren Modelle: Sie machen Krach. Wer also Wert auf seine Nachtruhe und auf das Wohlwollen seiner Stegnachbarn legt, tut gut daran, hier etwas tiefer in die Tasche zu greifen bzw. etwas mehr Aufwand zu treiben, und zwar sowohl bei der Anschaffung als auch bei der Montage.
Wir wählen also ein Modell eines renommierten Herstellers, dessen Rotorblätter auf ruhigen Lauf optimiert sind.
Zudem setzen wir den obersten Teil des Mastes auf dämpfende Gummielemente, die verhindern, dass die niederfrequenten Laufgeräusche in Form von Körperschall auf das ganze Boot übertragen werden. Wir wollen ja schließlich erholt und ausgeschlafen von unserem Segeltörn zurückkommen. (Hierzu dienen uns 3 Powerjoints aus dem Surfshop, die wir zwischen die Flansche schrauben).
Wie sieht es mit der Ausbeute aus?
Ein Windgenerator mit 400 W Nennleistung (Silentwind 400+) liefert bei 19 kn Wind (das sind 5 bft) ca. 130 Watt. In Seglrevieren, in denen der Wind relativ gleichmäßig und häufig auch nachts weht, wie z.B. der Ägäis im Sommer oder im Passatgürtel (Kanaren, Kapverden, Karibik) können wir so ca. 2kWh pro Tag ernten. In Revieren mit weniger Wind, insbesondere dort, wo wir im Wesentlichen thermische Winde haben, die nachts einschlafen, (wie z.B. im westlichen Mittelmeer im Hochsommer) sind immer noch einige hundert Wh pro Tag möglich.
Generell sinkt die Ausbeute auf Raumschots- und Vorwindkursen, da der Windgenerator dann nur noch den scheinbaren Wind "sieht". Wenn das Boot auf Vorwindkurs bei 19 kn wahrem Wind 9 kn läuft, bleiben uns nur noch 10 kn scheinbarer Wind. Lt. Diagramm von Silentwind sinkt die Leistung dann auf ca. 25 Watt. Auf einer Atlantiküberquerung im Passat werden wir also auch vom Windgenerator nicht "leben" können.
Wasser- / Schlepp- / Hydro- / Wellengenerator - die Lösung für lange Segeltörns
Was liegt näher, als aus der Fahrt des Bootes Energie zu gewinnen? Hierzu dient ein Hydrogenerator oder auch Schleppgenerator. Auch hier hat es in den letzten Jahren enorme Entwicklungen gegeben.
Die ersten "von der Stange" erhältlichen Geräte bestanden aus einem Generator, der am Heckkorb der Yacht montiert wurde, einer langen Leine (30-50m) und einem Propeller, der am Ende der Leine nachgeschleppt wurde. Daher der auch heute noch häufig anzutreffende Begriff "Schleppgenerator". Solche Geräte waren leicht zu montieren, aber das Ausbringen und Einholen war umständlich und in engen Revieren (aufkreuzen zwischen den Kornaten...) ließ man sie besser in der Backskiste.
Nicht zuletzt deswegen ist diese Gerätegattung mittlerweile aus der Mode gekommen und wurde von Geräten verdrängt, die am Spiegel der Yacht befestigt werden und dort auch ihren Propeller haben. Sie werden einfach mit 2 Leinen abgesenkt und auch wieder aufgeholt.
Der derzeit wohl prominenteste Vertreter ist der Watt&Sea, der in verschiedenen Ausführungen zu haben ist und in der Ausführung "Cruising 600" bei 9 kn Bootsgeschwindigkeit ca. 400 Watt erzeugt, bei 6 kn immer noch ca. 160 W.
Dieser ist neuerdings nicht nur in einer Version für die Spiegelmontage, sondern auch als Pod zu haben, der fest unter das Boot geschraubt wird. Vorteil: Kein Absenken und Aufholen mehr nötig, die Bedienung beschränkt sich auf einfaches Ein- und Ausschalten. Nachteil: Der Propeller läuft immer mit, auch wenn keine Energie benötigt wird (oder er muß elektrisch gebremst werden). Bei Beschädigung muss getaucht oder schlimmstenfalls das Boot gekrant werden.
Der Geschwindigkeitsverlust durch diese Generatoren ist übrigens vernachlässigbar gering.
Der Vollständigkeit halber seien noch Wellengeneratoren erwähnt, welche an der Propellerwelle montiert werden und beim Segeln durch den sich mitdrehenden Propeller Strom erzeugen. Diese sind jedoch ebenfalls sehr selten anzutreffen, da sie einige Nachteile haben. Der Bootspropeller ist für diese Betriebsart nicht optimiert und bremst das Boot unverhältnismäßig stark ab, zudem ist der Verschleiß an Welle und Getriebe durch das ständige mitlaufen nicht unerheblich. Das Segelboot mit einem Faltpropeller auszustatten, erübrigt sich dann natürlich ebenfalls.
Energiespeicher und Spannung
Die aus Wind- Sonnen- und Wasserkraft gewonnene Energie wird natürlich nicht immer dann ge- bzw. verbraucht, wenn sie gerade erzeugt wird, sie muss also gespeichert werden.
Dazu bieten sich aktuell 2 Batterietypen an: Bleiakkus (hier wegen der höheren Zyklenfestigkeit insbesondere die Gel- oder AGM-Varianten) und Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LiFePo4). Letztere sind in der Anschaffung derzeit noch ca. um den Faktor 3-5 teurer - bezogen auf die Nennkapazität. Sie können jedoch deutlich tiefer entladen werden (95% vs. 60% bei Bleibatterien) und schaffen deutlich mehr Zyklen (über 3.000 vs. ca 500 bei Blei), sodass sie letztendlich günstiger sind. Zudem werden LiFePo-Batterien immer günstiger.
Spannung
Nach wie vor haben die meisten Boote heutzutage ein 12V-Bordnetz. Praktisch alle Geräte, vom Kühlschrank über die Navigation bis hin zur Dieselheizung sind problemlos für 12V zu bekommen.
Dennoch sollte man - insbesondere, wenn ein neues Boot ausgerüstet wird oder ein total-Refit der Elektrik ansteht, darüber nachdenken, ein zusätzliches 24V-Netz aufzubauen. Dabei können die alternativen Energien direkt die 24V-Batteriebank laden, eine zusätzliche Lichtmaschine erledigt das dann auch bei Motorfahrt.
Die 12V-Bank wird über ein Batterie-zu-Batterie-Ladegerät aus der 24V-Bank nachgeladen.
Warum eine 24V-Bank einbauen, statt einfach die 12V-Bank zu erweitern? Bei 24V fließt für die gleiche Leistung eines Verbrauchers nur der halbe Strom. Mit P=I2*R bedeutet das, dass beim geichen Leitungsquerschnitt nur ein 1/4 der Verlustleistung abfällt. Oder, anders herum gesagt, wenn wir die gleiche Verlustleistung für eine Leitung akzeptieren, kommen wir mit 1/4 des Leitungsquerschnittes aus. Ein guter Kompromiss ist in vielen Fällen die Kombination aus halbem Leiterquerschnitt und halber Verlustleistung.
Wer also die "Großverbraucher" wie Kühlschrank, Winschen, Bugstrahler etc. auf 24V umstellt, muss deutlich weniger Kupfer durch die Gegend fahren oder ist deutlich energieeffizienter unterwegs - oder von beidem etwas.
"Leider" ist die Kurs270 - abgesehen von alternativen Energien - elektrisch schon auf 12V-Ebene sehr komplett ausgerüstet, incl einer 5 kW Ladegerät/Wechselrichter-Kombi von Victron, sodass eine Umstellung auv 24V nicht in Frage kommt.
Gesamtbilanz
Durch die gleichzeitige Nutzung der verschiedenen Systeme steht an Bord eigentlich fast immer genügend Energie zur Verfügung. Insbesondere der Hydrogenerator kann auf längeren Segelstrecken oft mehr elektrische Energie erzeugen als wir eigentlich brauchen (im Passat können da bei einem 600er schon mal 10 kWh an einem Tag zusammen kommen). Da wir einen kräftigen Wechselrichter an Bord haben, können wir uns dann sogar den Luxus leisten, unter Segeln zeitweise den Warmwasserboiler einzuschalten und so selbst auf einer Atlantikpassage auch gelegentlich mal warm zu duschen.
Dazu ein paar Zahlen (alle Werte in Wattstunden pro Tag für einen typischen Tag auf einer Atlantikpassage mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 8 kn)
Erzeugung | Verbrauch | |||
Photovoltaik | 500 | Navigation und Funk | 1.400 | |
Windgenerator | 600 | Kühlschränke | 1.500 | |
Hydrogenerator | 8.100 | Licht (alles LED) | 300 | |
Wassermacher | 1.000 | |||
Sonstiges | 1.000 | |||
Summe | 9.200 | Summe | 5.200 |
Es bleibt ein Rest von 4 kWh. Wenn wir von einem Wirkungsgrad des Wechselrichters von 80% ausgehen, können wir damit pro Tag immerhin 90 Liter Wasser von 20°C auf 50°C erwärmen. Man sieht also: auch auf einer Seglyacht kann es durchaus komfortabel zugehen.